Dr. med. Heike Schuhmacher – Fehler muss man sehen! LRS und visuelle Wahrnehmungsstörungen erkennen und behandeln – tredition GmbH, Hamburg – ISBN 978-2-7323-3693-7
Das Buch behandelt Hör- und Sehprobleme als Ursache von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten. Man erfährt viel über die zugrunde liegenden Funktionen im Gehirn. Teilweise werden diese Funktionen sehr technisch dargestellt, z.B. wenn von einem Rechtschreibscanner im Gehirn gesprochen wird.
Gleich zu Beginn wird aber eine gute Nachricht verkündet: Die visuellen Grundfunktionen unseres Gehirns können durch Training verbessert werden.
Das Buch enthält ein paar anschauliche Praxisbeispiele und nützliche Checklisten. Die Beispiele erinnern mich an meine eigenen Erfahrungen mit Schulkindern, die ich fördere.
Der von der WHO definierte LRS-Begriff sieht vor, dass die Legasthenie nicht durch eine Seh- und Hörbehinderung verursacht sein darf. Die Autorin sagt dazu, dass die im Buch beschriebenen auditiven Wahrnehmungsstörungen nicht darunterfallen, denn diese waren zum Zeitpunkt der WHO-Definition noch wenig bekannt. Gemeint war damals, dass die Kinder eine normale Sehschärfe haben und nicht schwerhörig sind.
Die auditiven Wahrnehmungsschwierigkeiten werden ausführlich beschrieben.
Im Kapitel Neuroplastizität wird ausgeführt, dass das Gehirn lebenslang entwickelt werden kann. Das heißt auch, dass die Diagnose Legasthenie nur eine Momentaufnahme ist. Und das ist eine wichtige Botschaft des Buches.
Ich möchte noch ein paar persönliche Anmerkungen machen:
Mir kommt bei Lesen des Buches immer wieder in den Sinn, dass ein großer Teil der Probleme darauf zurückzuführen ist, dass die Kinder Wörter nach Gehör richtig schreiben sollen, und dass zuerst die Druck- und dann die Schreibschrift gelehrt wird. Auf die Handschrift selbst, die ungeübt in vielen Fällen die Ursache des Problems ist, geht die Autorin nicht ein.
Das Elend der heutigen Pädagogik kommt m.E. in folgender Passage zum Ausdruck:
„Visueller Rechtschreibscanner vs. jahrelanges Rechtschreibregeltraining
Sie wissen selbst, wie lange Sie brauchen, um aus den Vorschlägen ihres Rechtschreibprogramms die passende Schreibweise für ein Wort herauszusuchen. In dieser Lage sind auch die Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche, die durch jahrelanges Regeltraining absolut jede Rechtschreibregel auswendig wissen und trotzdem in jedem Diktat unzählige Fehler machen. Die Geschwindigkeit, mit der beim Diktieren gesprochen und geschrieben wird, ist viel zu hoch, um gleichzeitig über Rechtschreibregeln nachzudenken. Das schafft kein Gehirn der Welt.“ Den letzten Satz halte ich für überzogen, denn die Autorin sagt nichts zur Handschrift, die flüssig sein sollte, die das aber bei Kindern mit Rechtschreibschwierigkeiten meist nicht ist. Es heißt ein paar Absätze weiter: „Der visuelle Rechtschreibscanner macht alle Arbeitsvorgänge, die mit Rechtschreibung zu tun haben, wirklich einfach und erfordert so gut wie keine Energie.“ Auch da fehlt etwas! Dieser Rechtschreibscanner muss aufgebaut werden, und zwar nicht nur durch das Anschauen der Wörter beim Lesen eines Textes, sondern man muss die Wörter schreiben, schreiben und nochmals schreiben. So habe ich es gelernt, und zwar die deutschen Wörter und die englischen.