Prof. Dr. Friedrich Schönweiss, Herausgeber – Handbuch zur Rechtschreibförderung – Lernserver Münster – ISBN 978-3-940876-00-3
Die Zielgruppe sind Lehrer, Lerntherapeuten und Eltern.
Im Kapitel I erhält man einen Überblick über die Lernserver-Förderdiagnostik für einzelne Schüler oder ganzer Klassen. Kapitel II gibt einen Einblick in die Stoßrichtung der pädagogisch-didaktischen Methodik. Kapitel III enthält viel zum Thema Rechtschreibung. Schon dieses Kapitels wegen lohnt sich der Kauf. Im kurzen Kapitel IV wird dann eine Art Ausblick auf neue Möglichkeiten der Förderung versucht.
Gleich am Anfang (Seite 6) stolpere ich über eine Anmerkung: "Ausgerechnet zu einer Zeit, in der das Bildungswesen nachdrücklich auf Leitbilder wie Selbstständigkeit und Kreativität, Individualität und Persönlichkeit verpflichtet wird, empfinden viele Menschen den Anspruch von Bildung nunmehr als Belästigung oder gar als Bedrohung. Trotz allgemeiner Schulpflicht gedeiht der Analphabetismus; normal begabte Kinder versagen plötzlich in einzelnen Fächern oder ziehen sich ganz aus dem Bildungsprozess zurück; Mütter fühlen sich als ´Hilfslehrer der Nation´ hoffnungslos überfordert; Lehrer sehen in ihrer Tätigkeit keinen Sinn mehr und ´brennen aus´. Was ist geschehen?“ Das Zitat stammt aus dem Jahr 2000. Inzwischen sieht es ja noch schlimmer aus. Für mich steht das Leitbild der Selbständigkeit, Kreativität, Individualität und Persönlichkeit in der Bildung in einem engen Wirkungszusammenhang mit den genannten Problemen. Man will „die Kinder als kleine Persönlichkeiten ´ganzheitlich´ ins Spiel bringen.“ Mit den diagnostischen Hilfsmitteln, die zur Verfügung gestellt werden, will man, dass Eltern, Lehrer und Therapeuten komfortabel und passgenau darauf zugreifen können. Die Fördermaterialien, die ich mir noch anschauen will, sollen abgestimmt auf den ganz konkreten Unterstützungsbedarf des Kindes, einer Klasse oder einer kompletten Stufe sein. Von einer kompetenten Nutzerin habe ich gehört, dass diese Unterlagen sehr gut sein sollen.
Gut finde ich die Aussage zu LRS bzw. Legasthenie. Das Attest für die Legasthenie wird als „Auftakt der Stigmatisierung“ angesehen.
Neben dem Regelbereich, den ich bisher immer als einzigen Inhalt der Rechtschreibförderung angesehen habe, geht man hier auch auf den Wahrnehmungsbereich ein und bezeichnet das als grundlegenden Bereich. Da habe ich dazugelernt. Die Ausführungen z.B. zur Betonung und zum „guten Sprechen“ sind sehr interessant.
Die Förderung der Schreibschrift wird auch hier außen vorgelassen. Für mich, als jemanden, der eigene Texte erst in der dritten Klasse schreiben musste, ist nicht einzusehen, warum man, nur um die Kreativität zu fördern, die Kinder schreiben lässt, wenn sie noch nicht die nötigen Voraussetzungen dafür erworben haben.
Hoffnung macht in diesem Zusammenhang, dass man das grundlegende Problem erkennt: „Gerade Letzteres (Anm.: die Effektivität bzw. Begrenztheit mancher Unterrichtsmethoden) tritt leider immer mehr zutage und unterstreicht, wie notwendig eine grundlegende Revision etlicher grundschuldidaktischer Ansätze ist.“ Nur, wann kommt diese Revision?
Unter „Allgemeines zum Regelbereich“ findet sich folgende Passage: „Diese Hilfestellung (Anm. zur Rechtschreibung) gibt es in Form von Regeln, deren Aneignung weniger Zeit und Mühe beansprucht, als die Schreibung aller Wörter der deutschen Sprache auswendig zu lernen, ganz abgesehen davon, dass sprachliche Kompetenz nicht damit zu verwechseln ist, den eigenen Kopf als tumbes Speichermedium zu missbrauchen. Mit dem Wissen und der Anwendung dieser Regeln kann ein großer Teil der Wörter, der Kernbereich (Anm.: Das ist genau der Bereich, den wir korrekt schreiben konnten, und zwar schön, bevor wir eigene Texte schreiben mussten.) korrekt verschriftet werden. Der für ein souveränes Umgehen mit der Schriftsprache erforderliche Automatismus stellt sich übrigens dann meist recht schnell ein.“ Und darin liegt nach meiner Meinung ein Problem! Es wird zu wenig geschrieben. Und deshalb stellt sich diese Automatisierung halt oft nicht ein. Und auch beim Lernserver gibt es, so wie ich es bisher gelesen habe, nur Lückentexte. Das ist jetzt keine Kritik, ich mache es auch so, weil die Übungen sonst einfach zu lange dauern. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Die Autoren geben auch Argumentationshilfe, um den Kindern zu erklären, warum Rechtschreibung wichtig ist. Gut finde ich den Vorschlag, dass sich die Kinder die Regeln auch gegenseitig erklären sollen. Und es wird auch empfohlen, die Kinder mit den Arbeitsblättern nicht allein zu lassen. In diesem Zusammenhang bekommen auch Eltern viele nützliche Tipps. Es werden auch – in verständlicher Kürze – die Rechtschreibphänomene abgehandelt. Mir ist nur aufgefallen, dass man beim Eszett voraussetzt, dass man es hört. Also ich bin weder in der Lage, es zu hören, wobei das Eszett in Süddeutschland sowieso kaum gesprochen wird, noch es zu sprechen.
Zitat zur Groß- und Kleinschreibung (Seite 48): „Das Problem der Großschreibung ist weder dem Wahrnehmungs- noch dem Regelbereich zuzuordnen, sondern dem grammatikalischen Bereich.“ Das bedeutet, dass bei Legasthenie die Rechtschreibfehler trotz Notenschutz gewertet werden. Die Abgrenzung zum Wahrnehmungsbereich ist ja noch einsichtig, aber zum Regelbereich? Aber das hat ja nicht der Lernserver entschieden, sondern so ist es halt.
Das Kapitel II – Kompendium zur Rechtschreibförderung habe ich gerne gelesen. Es ist ein guter Überblick mit den notwendigen Details und Beispielen zum Verstehen.