FAZ vom 28. Juli 2023: „Wenn Lehrer und Schüler Regeln (zum Gendern, Anmerkung von mir) erfinden sollen.“
Schreck lass nach
In dem Artikel heißt es, dass die Kultusministerin von Baden-Württemberg es gut fände, „wenn Lehrkräfte gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern auch eine Schreibweise bezüglich der Sonderformen beim Gendern vereinbaren.“ Ist die Ministerin nur naiv oder ideologisch verblendet? Wenn ich mir vorstelle, dass unsere Schüler mit ihren häufig lückenhaften Rechtschreib- und Grammatikkenntnissen und oft mangelhaften Lesefertigkeiten sich mit Gendern beschäftigen müssen, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Einige Gedanken zum Gendern
Genus und Sexus sind nicht dasselbe! Wer die deutsche Sprache beherrscht, müsste das wissen. Der grammatische Artikel hat nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun. Wieso ist der Himmel männlich, die Sonne weiblich? Warum sind Himmel und Sonne nicht sächlich? Sind Koryphäen immer Frauen? Sind Deppen immer Männer? Warum heißt es das Schwein, aber der Mensch? Warum ist der Hahn männlich, aber das Huhn nicht weiblich, sondern sächlich? Die Gleichsetzung von Genus und Sexus wird von den gleichen Sprachaktivisten herbeigeredet oder mit sogenannten Studien belegt, die dann als Folge das Gendern fordern. In Deutschland gibt es knapp 200 Professuren zum Thema Gendern. Manche Professoren meinen, dass das generische Maskulinum dazu führe, dass der Mann als die menschliche Norm erscheine. Da wird sogar überlegt, neutrale Endungen einzuführen, wie Proffesx, Plural Proffesxs. Und das nur, um klar zu machen, dass Professoren nicht nur Männer sind. Das x soll auch alle einschließen, die sich zwischen Mann und Frau oder daneben verorten. Andere Beispiele sind Studierx, Mehrzahl Studierxs. Andere Überlegungen kommen zur neutralen Endung a für den Singular und as für den Plural. Beispiele: Lehra, Lehras, Berlina, Berlinas. Natürlich müssten dann auch die Artikel angepasst werden. Ein „de“ würde genügen. de Studierx, de Lehra. Gendersensibilität geht hier vor Sprachsensibilität und endet in Sprachbrutalität. Feminismus als Mission!
Wenn man für das Gendern Regeln aufstellt, geht es nicht nur um die Form! Zitat aus einem Dokument des Audi-Konzerns: „Der_die BSM-Expert-in ist qualifizierte_r Fachexpert_in.“ Dieses Beispiel macht deutlich, dass es nicht damit getan ist, zu entscheiden, ob man einheitlich mit Asterix, Binnen-I, Unterstrich oder Doppelpunkt gendern soll, sondern dass man viel tiefergehende Überlegungen anstellen und Regelungen treffen müsste. Das sollen, wie die erwähnte Kultusministerin meint, Schüler mit ihren Lehrern tun? Der Verfasser des Audi-Textes war zwar bemüht, die Grammatik zu beachten, aber einen „BSM-Expert“ gibt es nicht, es müsste BSM-Experte“ heißen. Dabei wird deutlich, dass das Gendern einfach nicht zu Ende gedacht ist. Ich fühle mich immer belehrt, wenn ich grässlich gegenderte Texte lesen muss. Männlich, weiblich, divers heißt es neuerdings ganz selbstverständlich. Aber welcher Artikel und welches Pronomen gilt für diverse Menschen? Beispiel: „Der_die Auszubildende_r, welche_r, dafür verantwortlich ist …“. Wer im Singular gendern muss, bewegt sich auf grammatischem Glatteis. Diverse Personen kann man da gar nicht adressieren. Das Gendern ist generell nicht durchdacht und hat an Schulen nicht zu suchen.
Wenn man für das Gendern Regeln aufstellt, ist dann nicht zu gendern ein Fehler? In Zeitungen, im Rundfunk bzw. Reportagen im Fernsehen ist immer öfter zu beobachten, dass zu Beginn des Berichtes klar gegendert wird, von Bürgerinnen und Bürgern die Rede ist, aber irgendwann nur noch von Bürgern. Sind dann nur noch die Männer gemeint oder ist das ein Fehler? Und, wenn man beim Sprechen die künstliche Pause zwischen „Bürger“ und „innen“ nicht beachtet, schließt man dann alle aus, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen? Gendern wird, hat man damit einmal angefangen, automatisch zum Zwang!
Welche Begriffe sollen gegendert werden? Bei Kunden, Studenten, Schülern, Ärzten, Bäckern usw. scheint die Sache klar zu sein. Wenn ich sage „Es gibt viele Idioten in Deutschland.“, müsste ich dann gendern, weil ich nicht nur Männer meine? Ist nicht bekannt, wer den Mord begangen hat, müsste man dann nicht von „dem_der mutmaßlichen Mörder_in sprechen? Oder meine ich tatsächlich nur Frauen, wenn ich von Koryphäen spreche? Beim Kundenberater fragt man sich im Genderwahn zwangsläufig, ob das ein Mann ist und nur Männer berät. Müsste man diesen Zeitgenossen nicht zum Kund:innenberater:in umbenennen? Auch hier: Gendern wird zwanghaft.
Es fehlt beim Gendern oft ein Begriff für die Gesamtheit. Der Satz „Frau Merkel war die beste Bundeskanzlerin, die Deutschland je hatte.“, ist eine Nullnummer, denn es gab ja nur eine. Der beste Bundeskanzler kann sie in einer Genderwelt auch nicht sein, denn das sind dort nur Männer. Wenn ich Frau X als die beste Orthopädin in Y empfehle, ist sie in der Genderwelt nur die beste Orthopädin unter den Frauen. Wenn ich von Ärztinnen und Ärzten spreche, wie heißt dann die Gesamtheit aller, wenn ich nicht von allen Ärztinnen und Ärzten bzw. allen Ärtz:innen sprechen will? Da könnte man auf Ärzteschaft kommen. Da bietet sich dann eine Formulierung mit „-ende“ an, Zum Beispiel Heilende, aber ist das nicht zu verwechseln mit Genesende? Heute wimmelt es nur von „-ende“: Teilnehmende, Mitarbeitende, Lohnsachbearbeitende, Studierende, Raumpflegende, Zufußgehende, Autofahrende und, und, und. Was steht bei Arzt neuerdings im Online-Duden?
„Arzt, der - männliche Person, die nach Medizinstudium und klinischer Ausbildung die staatliche Zulassung (Approbation) erhalten hat, Kranke zu behandeln (Berufsbezeichnung)“. Mehrzahl: die Ärzte!
Es gibt eine Zusatzangabe in einem Kasten mit einer Leuchtbirne:
"Verwendung der Personenbezeichnung
In bestimmten Situationen wird die maskuline Form (z. B. Arzt, Mieter, Bäcker) gebraucht, um damit Personen aller Geschlechter zu bezeichnen. Bei dieser Verwendung ist aber sprachlich nicht immer eindeutig, ob nur männliche Personen gemeint sind oder auch andere. Deswegen wird seit einiger Zeit über sprachliche Alternativen diskutiert."
Armer Duden! Dass man, meint man nur männliche Vertreter einer Gruppe, dies sagen muss, z.B. alle männlichen Mieter, sollte der Duden eigentlich wissen. Wäre der neue Oberbegriff die Mietenden?
Bei Ärztin steht im Duden die gleiche Formulierung, nur ist dort von einer weiblichen Person die Rede. Mehrzahl: die Ärztinnen! Einen Leuchtbirnen-Kasten braucht es da nicht, denn Ärztinnen können nur Frauen sein. Der Duden hat bislang als richtig angesehen, wie die Mehrheit schreibt. Beim Gendern weicht er davon ab, lässt sich also vom missionarischen Eifer einiger Lobbygruppen anstecken.
Sprechpausen üben! Beim Sprechen macht Gendern mit den Sonderzeichen nur Sinn, wenn man die Sprechpause vor der Endung einhält. Tut man das nicht, spricht man nur von weiblichen Personen, von der Bäckerin, oder den Bäckerinnen. Männer sind da nicht dabei, und Diverse auch nicht.
Durch das Gendern wird die Rolle und die Bedeutung der Frauen unterstrichen! Das Argument lese ich oft. In einer Talkshow bei Maybritt Illner hat vor kurzem jemand eine Studie zitiert, nach der Mädchen, und zwar Grundschülerinnen, aufgrund des männlichen Geschlechts „der Rechtsanwalt“, diesen Beruf für sich nicht vorstellen können. Das ist einfach absurd. Auch wenn ich bei dem Wort Kraftfahrer tatsächlich an einen Mann denken sollte, so denke ich bei „der Journalist“ an Marietta Slomka und Theo Koll. Das beeinflussen zu wollen, an was ein einzelner denkt, wenn er bestimmte Begriffe mit männlichem Artikel hört, ist schon sehr abenteuerlich. Übrigens: Wie hätte ich hier „ein einzelner“ gendern sollen? Ein einzelner oder eine einzelne? Oder ein:e einzelne:r? Die Rolle der Frauen wäre z.B. dann ordentlich gewürdigt, wenn man das Gender-Pay-Gap aufheben würde. Wenn ich von meinen Vorfahren spreche, schließe ich damit die Frauen aus? Gab es eigentlich nur Neandertaler oder auch Neandertalerinnen? Da ist er wieder, der Gender-Automatismus!
Manche Menschen fühlen sich verletzt, diskriminiert, wenn nicht gegendert wird. Wir wollen keine Gefühle verletzen! Das ist das stärkste Argument für das Gendern. Weil wohl niemand Gefühle verletzen will. Ich auch nicht. Aber muss ich deswegen gendern? Wenn ich als Manager eine Rede gehalten habe, habe ich die Teilnehmer mit „liebe Kolleginnen und Kollegen begrüßt“. Irgendwie war ich da doch ein Vorreiter für das Gendern, ohne dass mir dieser Terminus damals geläufig gewesen wäre. Aber in schriftlichen Regelungen für alle habe ich von „allen Mitarbeitern“ gesprochen (nicht von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) und heute spreche ich von meinen Schülern und meine Jungs und Mädels. Wenn sich irgendeine Person beklagen würde, ausgeschlossen zu sein, wenn ein Unternehmen in einer Bedienungsanleitung von seinen Kunden oder Nutzern des Produktes spricht, dann fange ich an, diese Person nicht mehr ernst zu nehmen. Ich muss aber machtlos zusehen, wie unsere Sprache wegen der Empfindlichkeit und Betroffenheit einzelner Individuen oder Gruppen verbogen und verkorkst wird. Tatsächlich gibt es Menschen, die ernsthaft behaupten, man müsse mit Genderzeichen, die hinter den Begriffen sich verbergenden verschiedenen Geschlechter deutlich machen, damit niemand sich ausgeschlossen und diskriminiert fühlt. Klar, diese meine Zeilen werden nicht nur von Lesern gelesen, sondern auch von Leserinnen. Eigentlich sollte ich von Leser:innen schreiben, um wirklich alle zu umfassen. Wer braucht eine solche Nachhilfe, wem nützt sie? Ich fühle mich da belehrt.
Unsere Sprache erfordert keine zusätzlichen Regeln für das Gendern! Wenn man lange genug nachdenkt, dann wird deutlich, dass unsere Sprache perfekt ist, wenn man sie so belässt, wie sie ist und nicht künstlich verkompliziert. Das grammatische Geschlecht hat mit dem biologischen nichts zu tun. Bei Berufsbezeichnungen, wie „Arzt“ umfassen Männer und Frauen und alle, die sich ganz anders definieren. Einzelne Personen kann man aber gut als Arzt (Sammelbegriff für alle) oder Ärztin (nur Frauen) ansprechen. Und bei einer Rede kann man, wenn man möchte, alle Ärztinnen und Ärzte adressieren. Ärzte, Schüler, Lehrer, Leser, Studenten, Beamte usw. sind Gruppenbezeichnungen für alle biologischen Geschlechter. Das sollte die Kultusministerin von Baden-Württemberg ihren Lehrern sagen und auf ihren Ministerpräsidenten hören, der in dem Artikel in der FAZ zum Ausdruck bringt, dass man riesige Probleme in der Schule habe und man sich nicht an Gendersternchen aufamseln (sic) müsse. Und um diese „riesigen Probleme“ sollte sich das Kultusministerium kümmern, um die Verbesserung der Lese-, Rechtschreib- und Rechenfertigkeiten der Schüler.
Ich habe mich lange nicht mehr über das Gendern aufgeregt. Von mir aus kann jeder nach seiner Gender-Version selig werden. Genervt bin ich nur, wenn viele Wörter durch Sonderzeichen zerhackt werden und noch dazu die Grammatik nicht stimmt. Ich habe hingenommen, dass ein Verlag einen Artikel von mir nur abdruckt, wenn er gegendert ist. Allerdings wurde mir nicht vorgeschrieben, Genderzeichen zu verwenden. Eine Online-Zeitung habe ich emotionslos gekündigt, weil dort der Doppelpunkt in vielen Wörtern das Lesen zur Qual macht.
Aber wenn das Gendern in Schulen ermöglicht oder gar Pflicht werden soll, dann muss ich mich wieder aufregen. Mein Eindruck, dass man in den zuständigen Kultusministerien weit weg von der Praxis ist, wird gefestigt. In Bayern ist diesbezüglich die Welt aber noch in Ordnung. Gendern an Schulen ist in Bayern, Schleswig-Holstein und in Sachsen tabu.
Mein Schreck lässt nicht nach, denn der Rat für deutsche Rechtschreibung hat es vor ein paar Wochen nicht vermocht, sich klar zum Thema Gendern, insbesondere zu einem Genderzeichen zu äußern. Er hat die Entscheidung hinausgeschoben. Er ist vor der Gender-Lobby eingeknickt. Zu diesem Kreis gehören offenbar schon einige Kultusminister!